Für den heutigen Tag haben wir uns für eine halbtägige Stadtführung über “Hanoi eBuddies” angemeldet. Dies sind lokale Studenten die verschiedene kostenlose Führungen durch Hanoi anbieten. Die Studentin Thảo holte uns direkt an unserem Hostel ab und ging mit uns gute zwei Stunden lang durch Hanoi. Wir konnten ihr viele Fragen über die hiesige Kultur stellen und besuchten den Literaturtempel und das Hoa Lo Gefängnis.

Văn Miếu, der im Jahr 1070 erbaute Literaturtempel, ist ein konfuzianischer Tempel und beheimatete einst die ‘Imperial Academy’ – Quốc Tử Giám – Hanois erste nationale Universität (gegründet 1076).
Der Literaturtempel ist auf der Rückseite des 100.000 Dong Scheins zu sehen und gehört zu den klassischen Sehenswürdigkeiten, die Hanoi zu bieten hat.

Der Innenhof, in dem die Studenten damals unter freiem Himmel für ihre Studien Stuhl und Bänkchen aufgestellt haben.

Der Teil des Tempels, der auf dem 100.000 Dong Schein abgebildet ist und wir, noch etwas blass vom Jetlag

Thảo erzählte uns hier viele kleine Einzelheiten, vor allem zur frühen vietnamischen Kultur, die stark von chinesischen Einflüssen geprägt ist. Hier nur einige der vielen Informationen, die uns besonders im Gedächtnis geblieben sind.
Viele Elemente der Tempelanlage sind in rot gehalten, im Konfuzianismus und der chinesischen Kultur ist Rot die Farbe des Lebens und ihr wird eine glückbringende Eigenschaft nachgesagt. Auch in der heutigen vietnamisischen Kultur ist rot die “lucky colour”. Gepaart wird Rot oft mit Gold, das für Macht steht.


Oder auch die schöne Anekdote über die “4 sacred animals” in Vietnam: Schildkröte, Einhorn (bzw. ein sehr ähnliches ‘Superwesen’), Drache und Phönix. Der Phönix und die Schildkröte werden gern zusammen gezeigt, da sie im konfuzianischen Glauben befreundet sind und sich gegenseitig helfen. Bei einer Überflutung darf der Phönix sich auf die Schildkröte stellen und überlebt so, während einer Dürre trägt der Phönix die Schildkröte im Schnabel und rettet sie so vor dem Verhungern.

Die Schildkröte steht für Weisheit und noch heute kommen Studenten in den Literaturtempel, um der Schildkröte über den Kopf zu streicheln und erhoffen sich davon ein besseres Studium.

Schildkröten, die Tafeln mit Namen der damaligen Absolventen tragen

Am Tag ihres Abschlusses kommen die Studenten Hanois in den Literaturtempel und lassen sich ablichten, die Frauen tragen hierzu das klassische vietnamesische Kleidungsstück  Áo dài. Wie es der Zufall so will, konnten wir genau so eine Veranstaltung heute bewundern.

Mit vielen Informationen dieser Art und über die Bauweise und Geschichte der Tempelanlage führte uns Thảo durch den Literaturtempel.

Modell der Tempelanlage

Na, wer erkennt was hier abgebildet wird?

Der zweite Stopp war das Hỏa-Lò-Gefängnis, ironisch auch als Hanoi Hilton bekannt. Es wurde 1896 von den Franzosen erbaut, um vietnamesische Widerstandskämpfer zu inhaftieren und zu foltern. Während des Vietnamkriegs diente das Gefängnis dann den Vietnamesen und amerikanische Kriegsgefangene saßen hier ein. In den frühen 1990 Jahren wurden große Teile des Gefängnisses abgebrochen, um Platz für Neubauten zu machen (hier stehen nun die Hanoi Towers, die im Hintergrund des nächsten Bildes zu sehen sind) und nur der südöstlichste Teil dient heute als Gedenkstätte und Museum.


Auch hier gab uns Thảo wieder eine kleine Privatführung und erzählte viele erschreckende Details zu den Haftbedingungen der zur französischen Kolonialzeit hier inhaftierten politischen Gefangenen.
So mussten sie zum Beispiel in großen Gruppen gemeinsam in einer Zelle sitzen (das Gefängnis war von der Größe für 500 Insassen gebaut, es saßen aber immer mindestens 2.000 Menschein ein), mit einem Bein dauerhaft festgekettet, nur 15 Minuten am Tag zur Bewegung befreit. Auch ihre Notdurft mussten sie in zwei ‘Toiletten’ innerhalb der Zelle verrichten, wie es hier in den heißen vietnamesischen Sommern gerochen haben muss, kann man sich ausmalen.

Guillotine

Oder auch die furchtbaren Einzelzellen für widerspenstige Inhaftierte, ebenfalls wieder an den Füßen festgekettet, aber auf einer nach hinten abschüssigen Fläche, so dass die so Inhaftierten nicht (oder zumindest nicht liegend) schlafen konnten, da ihnen sonst das gesamte Blut in den Kopf geflossen wäre.
Und als wäre dies alles nicht genug, wurden sie von den Wärtern zusätzlich noch brutal gefoltert, in den kalten vietnamesischen Wintern zum Beispiel mit kaltem Wasser bespritzt. Ebenfalls noch erhalten sind gemauerte Rohrleitungen mit eingelassenen Metallgitterstäben, durch die einige Gefangene entkommen sind. Das Loch, das sie sich in monatelanger Arbeit mit eingeschmuggelten Feilen etc. geschaffen hatten, war keine 20cm breit. Wie dünn die Inhaftierten gewesen sein müssen, um dort hindurch zu passen, mag man sich kaum vorstellen.
Weitere Ausführungen erspare ich euch hier, es war jedenfalls sehr deprimierend.

Gedenkstätte

In einem kleinen Teil des Museums wird noch die Verwendung als Gefängnis für amerikanische Kriegsgefangene gezeigt, die gegen das zuvor Gesehene eher wie ein recht fröhliches Feriencamp wirkte.

Zitat Thảo: “Wie wir sie behandelten.”

“Und wie sie uns behandelten. Sie wollten Hanoi wieder zurück ins Zeitalter der Steinzeit bringen.”

Eigentlich wollten wir danach mit Thảo noch etwas essen gehen, da wir aber uhrzeitmäßig leider genau zwischen lunch und dinner lagen und deshalb nichts passendes finden konnten, endete unsere Tour recht aprubt und leider auch ohne, dass wir noch ein Foto mit Thảo machten.

Auf der Suche; dort wo “Pho Ga” steht wollten wir eigentlich etwas essen

Bei einem Kaffee und einem Bánh mì ließen wir dann eben zu zweit das Erlebte etwas sacken und machten im Anschluss noch einen Spaziergang um den berühmten Hoan-Kiem-See – Hồ Hoàn Kiếm. An den Wochenenden sind die umliegenden Straßenzüge für den Verkehr gesperrt und gefühlt ganz Hanoi vergnügt sich rund um den kompletten See. Zu dem See gibt es noch eine nette Entstehungslegende, aber für heute soll das erst mal reichen.

Stadtverwaltung

Auf dem Rückweg durch das Old Quarter versuchten wir nochmal das unfassbare Verkehrschaos und das allgemeine Flair in der Altstadt zu dokumentieren.

Suchbild: Finde den Roller unter Kartons

Man achte auf die Fahrtrichtungen


Nach einer Verschnaufpause im Hostel besuchten wir den an Wochenenden stattfindenden Night Market, der aber recht unspektakulär und typisch asiatisch war.

Verkehrschaos by night; geradeaus der Fußgängerverkehr des Night Market und eine kreuzende Straße


So verlief also unser zweiter Tag in Hanoi und wir fühlen uns nach wie vor richtig wohl. Einzig die Suche nach Essen gestaltet sich etwas schwierig, da die Vietnamesen kaum bis kein Englisch können und wir nicht wissen wie die einzelnen Gerichte anbieten.
Abhilfe schafft hier aber hoffentlich die Street Food Tour, die wir für morgen früh ebenfalls bei den “Hanoi eBuddies” gebucht haben.

P.S. Es wird nicht täglich und nicht immer so ausführliche Beiträge geben, aber Hanoi ist einfach so faszinierend und wir saugen die Informationen (noch) auf wie ein Schwamm.